13. Juni 2023
Das Lymphödem ist eine chronische und unbehandelt voranschreitende Erkrankung – charakterisiert durch die Schwellung eines Körperteiles. Bei einer Blockade oder Lymphgefäße, kann die Lymphflüssigkeit nicht abfließen. Sie sammelt sich im Gewebe, das dadurch anschwillt. Je mehr Flüssigkeit sich einlagert, desto fester wird das Gewebe. Dadurch kommt es auch zu Veränderungen der Haut – Verfärbungen, Verhornung und Warzen – sowie zu einer Schwächung der lokalen Immunabwehr mit einer erhöhten Anfälligkeit für Infektionen.
Ein Lymphödem entsteht aufgrund einer Dysbalance zwischen der Menge an Lymphflüssigkeit sowie der Transportkapazität des lymphatischen Systems. Dabei wird zwischen einem primäre und einem sekundären Lymphödem unterschieden. Die Ursache des primären Lymphödems ist eine angeborene fehlerhafte Ausbildung des Lymphsystems. Bei dem sekundären Lymphödem handelt es sich um eine erworbene Schädigung.
Das primäre Lymphödem kommt recht selten vor (circa 1,15 auf 100.000 Menschen). Frauen sind davon häufiger betroffen als Männer; Das Geschlechterverhältnis beträgt circa 4,5 : 1. Das sekundäre Lymphödem kommt hingegen häufiger vor. Die weltweit häufigste Ursache dafür ist die sogenannte lymphatische Filariose – eine parasitäre Erkrankung mit Fadenwürmern.
In den Industrieländern wie beispielsweise Deutschland tritt das Lymphödem häufig als Folge von Krebsbehandlungen auf: Das Mammakarzinom (Brustkrebs) spielt hierbei eine besondere Rolle, da das sekundäre Lymphödem des Arms öfter eine Folge nach der Entfernung bzw. Bestrahlung der Lymphknoten in der Achselhöhle ist. Eine weitere Ursache sind gynäkologische oder urologische Tumore, deren operative Entfernung häufig mit einer Lymphknotenentfernung im kleinen Becken verbunden ist. In circa 20 Prozent der Fälle resultiert daraus ein Lymphödem der unteren Extremität. Darüber hinaus kann das sekundäre Lymphödem auch als Folge anderer Operationen oder Traumata, beispielsweise offener Frakturen, auftreten.
Die internationalen Gesellschaft für Lymphologie klassifiziert vier Stadien des Lymphödems:
Stadium 0 wird auch als subklinisches oder Latenzstadium bezeichnet. Dabei ist das Lymphsystem schon gestört, es bestehen aber noch keine klinischen Anzeichen eines Lymphödems.
Das Stadium I ist gekennzeichnet durch eine weiche, wegdrückbare, reversible Schwellung, die durch Hochlagerung oder Kompression reduziert werden kann.
Im Stadium II ist die Schwellung fester und kann nicht weggedrückt werden. Im Gewebe kommt es zu Umbauvorgängen mit Fibrosierung und Fettgewebseinlagerung. Eine Hochlagerung kann die Schwellung nicht mehr bessern.
Im Stadium III kommt es zu einer festen, deformierenden Schwellung sowie der Verhärtung und Vernarbung des Bindegewebes sowie zu Hautveränderungen – wie vermehrter Verhornung der Haut, verruköse Protuberanzen – sogenannter Elefantenhaut – einhergehend mit einer hohen Anfälligkeit für Erysipele und andere Hautinfektionen
Der Grundpfeiler zur Behandlung des Lymphödems ist die sogenannte komplexe physikalische Entstauungstherapie (KPE). Sie besteht aus Kompressionstherapie, manueller Lymphdrainage, Bewegungsübungen, Hautpflege und Anleitungen zur Selbsttherapie. Die KPE kann in zwei Phasen eingeteilt werden: In der ersten Phase – der Entstauungsphase – ist das Ziel, die maximale Reduktion des vorhandenen Ödems durch intensive Lymphdrainage und Kompressionsbandagierung (Dauer: zwei bis sechs Wochen) zu erreichen, um daraufhin Kompressionswäsche anzupassen. In der zweiten Phase – der Erhaltungsphase – wird die Behandlungsfrequenz unter fortbestehender Kompression angepasst, um eine Reödematisierung zu vermeiden. Während die KPE im Stadium I zu einer deutlichen Reduktion des Ödems führt, ist in höheren Stadien aufgrund der Veränderungen des Gewebes mit einer nachhaltigen Besserung nicht zu rechnen.
Bei den chirurgischen Behandlungsmöglichkeiten des Lymphödems wird grundsätzlich zwischen ablativen bzw. reduktiven Verfahren und rekonstruktiven bzw. physiologischen Verfahren unterschieden.
Zu den reduktiven Methoden gehören die schonende Liposuktion und die klassische ablative Operation nach Charles- Prozedur.
Das wichtigste reduktive Verfahren ist die Liposuktion. Dadurch wird auf relativ schonende Art und Weise das betroffene Gewebe reduziert. Größere Fallserien zeigen, dass dadurch eine Reduktion des überschüssigen Gewebevolumens von durchschnittlich 25 bis 30 Prozent möglich ist.
Die klassische ablative Operation des Lymphödems ist die sogenannte Charles-Prozedur, bei der an der betroffenen Extremität umlaufend das Haut- und Unterhautgewebe entfernt wird, um anschließend den Wundgrund mit einem
Hauttransplantat zu bedecken. Diese Technik wird selten angewendet und findet nur bei massiver Ausprägung des Lymphödems Anwendung.
Zu den neueren rekonstruktiven Methoden gehören die Lymphovenösen Anastomosen und der vaskularisierte Lymphknotentransfer (VLNT)Die Lymphovenöse Anastomose ist ein mikrochirurgisches Verfahren mit dem Ziel den lymphatischen Kreislauf wiederherzustellen, indem alternative
Lymphdrainagewege aufgebaut werden. Unmittelbar nach der OP erfolgt eine strenge Kompressionsbehandlung und früh sollte auch eine manuelle Lymphdrainage eingeleitet werden.
Der vaskularisierte Lymphknotentransfer (VLNT) beschreibt die Transplantation von einem oder zumeist mehreren funktionsfähigen Lymphknoten von einer Spenderregion in eine Empfängerregion. Die Leiste ist dabei die verbreitetste Entnahmestelle von Lymphknoten.
Der Vorteil des vaskularisierten Lymphknotentransfers gegenüber der lymphovenösen Anastomosen ist, dass hierfür keine intakten Lymphgefäße erforderlich sind. Somit kann dieses Verfahren auch in höheren Stadien des Lymphödems (mit Lymphgefäßsklerose oder bei primären Lymphödemen mit fehlenden Lymphgefäßen) angewendet werden.
Neuere Studien zeigen auch, dass eine Kombination von Liposuktion mit rekonstruktiven Verfahren in den höheren Stadien des Lymphödems sinnvoll sein kann, besonders wenn überschüssiges, betroffenes Gewebe vorhanden ist. Die Liposuktion kann dabei in der gleichen Operation durchgeführt werden oder sequenziell vor oder nach einem rekonstruktiven lymphchirurgischen Eingriff.
Bevor operiert wird, sollte immer eine intensive sechsmonatige komplexe physikalische Entstauungstherapie (KPE) durchgeführt werden. Bei Patient:innen mit einem signifikanten Ödem werden dadurch die Bedingungen für eine geplante Operation verbessert
Mit den modernen rekonstruktiven mikrochirurgischen Verfahren stehen etablierte Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung, wodurch eine nachhaltige Besserung der Symptome erreicht werden kann.
Die Lymphovenöse Anastomose ist eine Operationstechnik, die auch im frühen Stadium angewendet werden kann – sie ist jedoch abhängig vom Vorhandensein intakter, funktionierender Lymphgefäße und Venen. Der vaskularisierte Lymphknotentransfer hingegen ist eine invasivere Operationstechnik, die in höheren Stadien sehr gute Ergebnisse erzielen kann. Je nach individuellem Befund kann es sinnvoll sein, diese beiden Techniken zu kombinieren oder jeweils, um das reduktive Verfahren der Liposuktion zu ergänzen.
Da die Behandlungsmethoden effektiver sind, je früher sie zur Anwendung kommen, ist es essenziell, dass Patient:innen mit Lymphödem sich auch frühzeitig hinsichtlich chirurgischer Behandlungsmöglichkeiten beraten lassen.